Friedhofskirche

Bild 1: Vergrößerter Auschnitt des linken Chorfensters.

Baugeschichte: Die Entstehungszeit und -geschichte von St. Jakob ist quellenmäßig nicht belegt und entsprechend umstritten. Das Patrozinium könnte auf einen ersten Kirchenbau im 11. Jh. deuten, da in jenem Jahrhundert dem Pilgerpatron viele Gotteshäuser entlang der großen Straßen, die natürlich gleichzeitig die großen Pilgerstraßen sind, geweiht werden. Die jetzige Kirche wurde vermutlich im dritten Viertel des 12. Jh. geschaffen, da am ehesten ein Gebäude wie St. Jakob für die zahlreichen Versammlungen der Großen des Landes zu Plattling seit dem Ausgang des 12. Jh. in Frage kam. Diese Bauzeit legen auch der zugrundeliegende Typus der Pfeiler-Basilika mit vorgesetztem Turm, die Ausführung der Pfeiler und der Taufstein am Anfang des Mittelgangs nahe.

Der romanische Bau hatte bis in das ausgehende 15. Jh. Bestand; in dieser Zeit wurden dann Chor und Seitenschiffe umgebaut. Der Erweiterungsbau ist der Landshuter Schule zuzuordnen. Nach dem Vergleich mit anderen Werken dieser Schule scheint die Bauzeit um 1480 zu liegen. Der bereits recht lange romanische Chor wurde abgelöst durch einen sehr langgestreckten spätgotischen Chor; das rechte Seitenschiff erhielt einen Sakristeianbau, an das linke Seitenschiff wurde eine Kapelle angefügt. Das rechte Seitenschiff wurde wohl auch in dieser Zeit durch einen eigenen Eingang im zweiten Joch erschlossen. Der Boden der Kirche wurde etwa einen Meter höher gelegt, wodurch sich der Raumeindruck stark veränderte. 

In der Barockzeit wurde St. Jakob weitgehend barockisiert; große Fenster ließen nun das Licht hereinströmen; die Flachdecke des Langhauses wurde durch ein Gewölbe ersetzt; eine Empore wurde eingebaut; der Turm erhielt eine Zwiebelhaube. Auch die Inneneinrichtung wurde weitgehend im barocken Stil erneuert. (Die Diözesanmatrikel von 1665 verzeichnet fünf Altäre, die dem hl, Jakobus, der Jungfrau Maria, Johannes Baptist, St. Andreas und der hl, Barbara geweiht waren; die Diözesanmatrikel von 1723/24 nennt dagegen Altäre für St. Jakob, St. Katharina, St. Elisabeth, St. Andreas und die Sieben Nothelfer).

Aus Dank für die überstandene Cholera-Epidemie des Jahres 1854 wurde St. Jakob unter Pfarrer Franz Xaver Schwäbl renoviert und der Kirche wieder ein mittelalterliches Aussehen gegeben. Der Kirchturm erhielt wieder einen Spitzhelm (eventuell schon 1834), das Gewölbe des Langhauses wurde durch eine flache Decke ersetzt, und die Fenster wurden auf ihre heutige Form verkleinert. Die barocke Innenausstattung wurde entfernt und ein spätgotischer Flügelaltar als Hochaltar erworben. Dazu ließ man einen neogotischen und einen neoromanischen Seitenaltar, den ersteren mit spätgotischen Flügeln, anfertigen.

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges wurde der Kirchturm in seinen oberen Geschossen schwer beschädigt und auch das Dach des Langhauses in Mitleidenschaft gezogen. Bei der Ausbesserung dieser Schäden (1949 1952) wurde die Kirche zugleich innen renoviert, wobei im Chor Fresken freigelegt wurden. Von 1974 bis 1981 dauerte die jüngste Gesamtrenovierung von St. Jakob. Danach bestätigte sich erneut, dass St. Jakob die eindrucksvollste Kirche Plattlings ist.

Bild 2: Grundriss St. Jakob
Bild 3: Hl. Jakobus (Anfang des 16. Jh.)
Bild 4: Taufbecken

Beschreibung: Ein schlanker, hoch aufragender Turm mit Spitzhelm bestimmt zunächst den äußeren Eindruck der Kirche, den die harmonischen und nicht überdimensionierten Maße des Langhauses mitprägen. Dabei wirkt St- Jakob heute gedrungener, als vom Baumeister geplant, da sich das ursprüngliche Terrainniveau um einen Meter angehoben hat dies wird deutlich beim Betreten der Kirche, da man die Stufen hinuntersteigen muss. 

Durch den Turmraum gelangt man in das Mittelschiff, dessen Dunkel einen reizvollen Kontrast zur leuchtenden Klarheit des Chores abgibt. Das 15,65 m lange und 6,75 m breite Kirchenschiff hat fünf Joche, getragen von quadratischen Arkadenpfeilern aus rötlichem Granit. Pfeiler und Bögen sind steinsichtig. Sehr schlichte Formen bestimmen die Kämpfer. Der Chorbogen, dessen Kämpfergesimse stärker profiliert sind, ist eingezogen. Hoch unter der Flachdecke sitzen die je vier rundbogigen Obergadenfenster, deren heutige Form aus dem 19. Jh. stammt. Die beiden Seitenschiffe, die 3,10 m (links) bzw. 3,00 m (rechts) breit sind, zeigen gratige Kreuzgewölbe aus der Barockzeit. An das nördliche Seitenschiff schließt eine rechteckige Seitenkapelle mit zwei Jochen an. Ihr Gewölbe weist in einfach gekehlten Rippen den Sechsrautenstern und runde Schlusssteine mit unbemalten Schilden auf; die Rippen ruhen auf Profilkonsolen. Die beiden spitzbogigen Fenster sind zweigeteilt und haben Maßwerk, das in Dreipässen endet. Eine Doppelarkade mit Segmentbögen des 19. Jh. öffnet die Kapelle zum Chor- Die ebenfalls vom Chor her zugängliche Sakristei, die das südliche Seitenschiff abschließt, besitzt ein Tonnengewölbe.

Der leicht in sich verschobene Chor erreicht mit 14,40 m Länge fast die Erstreckung des Langhauses. Er hat zwei Joche und einen Schluss in fünf Seiten des Achtecks. Das Sterngewölbe (mit einfach gekehlten Rippen und unbemalten Schilden in runden Schlusssteinen) in Wechselbergefiguration ruht über gefassten Wandpfeilern auf einfach profilierten Pflockkonsolen. Die hohen Spitzbogenfenster sind zweigeteilt und haben Maßwerk aus Drei- und Vierpässen.

Ausstattung: Das künstlerische Hauptwerk der St. Jakobskirche ist der aus Tirol stammende spätgotische Flügelaltar im Chor. Der Altarschrein ruht auf einer ebenfalls spätgotischen Steinmensa. Die Predella stellt die Beweinung Christi nach der Kreuzabnahme dar. Das Werk weist eine Reihe von Übereinstimmungen mit der sog. Glimm’schen Beweinung Christi (1500; in der Alten Pinakothek zu München) von Albrecht Dürer auf Besonders qualitätsvoll ist die Darstellung der Wald- und Gebirgslandschaft im Hintergrund. Der Schrein ist gegliedert durch zwei sich überschneidende Kielbögen in reichem Rankenwerk sowie durch zwei Pfeiler. In der Mitte steht Maria mit dem Kinde; zwei Engel beiderseits ihres Haupts verweisen auf sie. Links neben Maria die hl, Maria Magdalena mit dem Salbgefäß, rechts eine ungewöhnliche Darstellung des St. Jakobus Major mit Pilgerstab, Buch und Krug. In den beiden Flügeln vor Goldgrund unter einem Kielbogen mit Rankenwerk die hl. Katharina mit Schwert und zerbrochenem Rad (links) und der hl. Nikolaus als Bischof mit Buch und den drei goldenen Äpfeln (rechts). Auf der Rückseite der Flügel Mariä Verkündigung aus dem frühen 16. Jh. Die Rückseite der Predella zeigt das Schweißtuch der Veronika.

Links vom Hochaltar ein Sakramentshäuschen aus Kelheimer Kalkstein mit der Jahreszahl 1515. Seine gewundene Säule ruht auf zwei halbkreisförmigen Stufen auf, Über dem Gehäuse verschlungenes Astwerk und ein zurückgesetzter Fialenaufsatz, in dessen Nischen auf profilierten Podesten Statuen von Christus Salvator (links) und St. Jakobus Major (rechts) aus der 2. Hälfte des 19, Jh. Stehen.

Im linken Chorfenster das farbige Glasfenster des hl. Johannes Evangelist aus dem 3, Viertel des 13, Jh. eines der bemerkenswertesten frühgotischen Glasgemälde in Ostbayern, vielleicht in einer Regensburger Werkstätte entstanden. (Das Original befindet sich inzwischen im Diözesanmuseum Regensburg).

Bild 5: Spätgotischer Flügelaltar mit Maria und dem Kind, Maria Magdalena, St. Jakobus, der Hl. Katharina und dem Hl. Nikolaus
Bild 6: Sakramenthäuschen von 1515
Bild 7: Wandmalerein im Chor mit Passionsszenen in den Stichkappen darüber Engel, Statue Christus Salvator

Im Chor sind 1952 Fresken freigelegt worden, die stilistisch in das frühe 17 Jahrhundert zu datieren sind; vielleicht entstanden sie nach der Neueindeckung der Kirche 1606. Trotz mangelhafter Restaurierung ist die gute Qualität dieser interessanten manieristischen Ausmalung noch erkennbar: Die Wandpfeiler zeigen Marmorierung und Diamantierung, die Stichkappen im ersten Joch links sowie im zweiten Joch rechts ornamentale Muster mit Rollwerk. In der zweiten Stichkappe rechts Johannes der Täufer und Johannes Evangelist; über dem Sakramentshäuschen zwei Engel mit Kelch und Monstranz. Im ersten Joch rechts an der Wand Medaillons mit Passionsszenen, in den Stichkappen darüber zwei Engel. Die Medaillons der Apostelleuchter gehören der Bauzeit des Chores an.

Der Chor besitzt eine Reihe spätmittelalterlicher Holzstatuen: rechts im ersten Joch Christus Salvator (spätes 15. Jh.); am Chorbogen links die hl, Barbara und rechts ein qualitätsvoller St. Jakobus Major vom ursprünglichen Hochaltar der Kirche (Anfang 16. Jh.). Im Chorbogen hängt das wohl aus der gleichen Zeit stammende triumphbogenkreuz mit Vierpaß-Medaillons der vier Evangelisten. Am Anfang es Mittelgangs das schlichte Taufbecken aus dem 12. Jh.

In der Seitenkapelle steht ein neogotischer Schrein (1857) mit spätgotischen Flügeln. Im Schrein ein hl. Wolfgang, in der Predella ein drastisches Arme-Seelen-Relief Die qualitätsvollen Bilder der Flügel (um 1520) zeigen zwei Szenen aus der Legende des hl. Nikolaus: Links rettet er einen Verurteilten vor der Hinrichtung, rechts schenkt er den drei armen Jungfrauen goldene Äpfel. Auf der Rückseite St. Anna Selbdritt und der hl. Sebastian. Grabdenkmäler: Da die Kirche seit Jahrhunderten Friedhofskirche ist, besitzt sie in Chor und Seitenschiffen eine Reihe von Grabdenkmälern; das älteste von 1410 (Nr. 5). Auf den Steinen sind verewigt (beginnend im linken Seitenschiff beim Eingang): 1. P. Wolfgang Kaufman, Mettener Konventuale, und Bartholomäus Wolf, Sacellan (+ 1627). 2. Die Inschrift zu dem Grabdenkmal, auf dem Jesus vom Schiff aus die Apostel lehrt, ist verloren. 3. Mathias Prunner, Kirchherr zu Plattling (+1540). 4. Thomas Was, Benefiziat zu Niederpöring (+ 21. Aug. 1580). 5. M. Johannes Tunbach de Uberling, Kirchherr zu Plattling (+ 1410). 6. Leonhard Pruner aus Braunau, kaiserlicher Notar, Kooperator zu Plattling (+ 1577). (Im rechten Seitenschiff beginnend beim Chor:) 7 Eberhart (+ 13. Juni 1419) und Ulreich Swarczaher (+4. Juli 1420). 8. Anthon Khaisser, Wirt zu Plattling (+ 1599) und seine Ehefrau Margareta Mairhofer (+ 16. .). 9. Daniel Landau, Pfarrer (+ 27. Okt. 1647), 10. (schwer lesbare bzw. teilweise verlorene Inschrift) Hinerl, Bürger zu Plattling, (+1543) und Anna Hinerl, seine Ehefrau. (Dieser Grabstein wurde 1889 von Stömmer, der vielleicht noch mehr lesen konnte, bezeichnet als Grabstein des Baumeisters Sauerl, den er wohl zu Unrecht als Architekten des Erweiterungsbaus ansah.)
Bild 8: Der Hl. Nikolaus rettet einen verurteilten vor der Hinrichtung (r), schenkt drei Armen Jungfrauen goldene Äpfel (l)
Bild 9: Predella des spätgotischen Flügelaltars mit der Beweinung Christi
Bild 10: Chorbogenkreuz, dahinter das Gewölbe des Chores

In der Mitte des Chorpflasters findet sich eine Platte: 11. Joseph Pauer, Juris Utriusque Consultus, Kooperator zu Plattling (+ 12. März 1753). Eine weitere Platte ist im Chorpflaster in Höhe des Durchgangs zur Seitenkapelle: 12. Johann Wolfgang Mayr, Posthalter zu Plattling (+ 31.Okt. 1759). An der südlichen Außenmauer des Chors befinden sich fünf Grabdenkmäler, vier davon aus dem 19. und 20. Jh., eines vor 1800: 13. Kornelius Wichardt, vormals Posthalter, Kurantpriester zu Plattling (+ 9. Aug. 1794). Unter dem rechten Seitenaltar soll sich früher eine Krypta mit einer Anna Selbdritt befunden haben, die als „Hustenmutter“ angerufen wurde. Diese besondere Verehrung hatte ihren Ursprung wohl im feuchten und ungesunden Klima Plattlings; auch in anderen feuchten Flusslandschaften war die Hustenmutter bekannt, sogar bis in das 20. Jh. herein, so in Postmünster bei Pfarrkirchen an der Rott, wo es sogar eine Kapelle „Maria Hustenmutter“‚ gab.

St. Jakob hat auch ein historisches Geläute: Die älteste Glocke wurde 1404, die zweite 1674 und eine dritte 1948 gegossen.

Würdigung: St. Jakob ist einer der wenigen erhaltenen romanischen Kirchenbauten des Donauraums zwischen Regensburg und Passau und verdient von daher größte Beachtung. Das romanische Langhaus von großer architektonischer Geschlossenheit verbindet sich kontrastreich mit dem spätgotischen Chor, dessen Raumeindruck vom Netzrippengewölbe bestimmt ist. Trotz vielfacher Eingriffe ist St. Jakob immer noch ein gutes Beispiel mittelalterlicher Kirchenbaukunst. Die jüngste Restaurierung brachte auch die überdurchschnittliche Innenausstattung wieder gut zur Wirkung. Die älteste Kirche Plattlings ist so zugleich die ansprechendste und kunsthistorisch wertvollste der Stadt.